|
Wenn richtig
falsch und falsch richtig ist: Nachrichten
aus einem wissenschaftlichen Anderland Ludwig J. Cromme Brandenburgische Technische
Universität Cottbus Platz der Deutschen Einheit 1, 03046
Cottbus e-mail:
cromme@tu-cottbus.de
Mathematik und Naturwissenschaften sind auf
objektive Erkenntnis ausgerichtet. Zwei Momente sind für den in diesen
Disziplinen tätigen Wissenschaftler deshalb unverzichtbar: „Das Vertrautsein
mit der wissenschaftlichen Methode und die unbeirrbare Loyalität gegenüber dem
wissenschaftlichen Ethos, einem Verhaltenskodex, der ihn auf Erkenntnisgewinn
verpflichtet.“2
Darauf beruht das Ansehen des Wissenschaftlers und der Wissenschaft insgesamt
in der Öffentlichkeit. Entsprechend hoch scheint aber auch die Versuchung für
Einzelne zu sein, dieses Ansehen unter Verletzung der wissenschaftlichen
Grundsätze für eigene - wissenschaftsfremde - Zwecke zu nutzen. Derartige
Verfehlungen müssen, wenn sie nicht intern bereinigt werden können, letzten
Endes von der wissenschaftlichen Öffentlichkeit (Scientific Community)
gerichtet werden. Selbst ein Nobelpreisträger kann sich große Schwierigkeiten
einhandeln, wenn er sich einer Beurteilung durch dieses Gericht zu entziehen
versucht. 3
Die wissenschaftliche Öffentlichkeit kann aber nur
dort tätig werden, wo der Vorgang selbst der Öffentlichkeit zugänglich ist. In
akademischen Prüfungen ist dies häufig nicht der Fall. Um so wichtiger ist es, dass der Prüfer an sich
selbst höchste Ansprüche stellt, seine fachlichen Aussagen korrekt und
nachprüfbar sind und er bereit ist, seine Bewertungen zu begründen.
Insbesondere impliziert die methodische Objektivität, dass keine außerwissenschaftlichen
Kräfte – seien sie ideologischer, machtpolitischer oder sonstiger fachfremder
Art - das Ergebnis der Prüfung beeinflussen dürfen und Gegenstand der Prüfung
ausschließlich das vorgegebene Thema bzw. die vorgelegte Arbeit ist. Bei dem im Folgenden geschilderten Vorgang sind
diese Grundsätze ungewöhnlich schwerwiegend verletzt worden. Zur Begutachtung einer Dissertation4 aus dem Grenzbereich zwischen Mathematik und Informatik wurden vom Fakultätsrat drei Professoren von drei verschiedenen Universitäten aus zwei verschiedenen Ländern benannt. Entsprechend der übereinstimmenden Empfehlung der Gutachter hat der Promotionsausschuss nach Vorliegen der Gutachten die Annahme der Dissertation und ihre Bewertung beschlossen. Gegen diese Empfehlung des Promotionsausschusses wurden zwei Einsprüche von Mitgliedern der Fakultät eingelegt, nämlich von Doz1 und Doz2. Nun ist es schon ungewöhnlich, dass Widerspruch gegen die Annahme einer Dissertation eingelegt wird. Erst recht, wenn drei renommierte Kollegen - in Abwägung von Stärken und Schwächen der Arbeit - diese zur Annahme empfehlen. Dennoch sind Fälle bekannt, in denen auch Gutachter schwerwiegende Mängel übersehen haben. Dass solche vorliegen, will Doz1 wohl suggerieren, wenn er schreibt: S. 63. Das Lemma 5.19 ist,
vorsichtig gesagt, nicht gerade verständlich formuliert und scheint mir
außerdem nicht sehr tiefliegend zu sein. (Findet es sich nicht
irgendwo so oder ähnlich in der Literatur?) Leider wird nicht spezifiziert, was denn unverständlich
sein soll. Festzuhalten bleibt, dass auch Nicht-Spezialisten Aussage und Beweis
gelesen haben und keine Verständnisprobleme hatten. Ob Doz1 sich überhaupt bemüht hat, die Aussage des Lemmas zu verstehen, bleibt offen. Obwohl er
jedenfalls schon mit dem Verständnis der Aussage des Lemmas große Probleme hat,
- vom mehrseitigen Beweis ganz zu schweigen -, ergeht Doz1 sich in Vermutungen über den wissenschaftlichen
Gehalt des Lemmas und suggeriert sogar, dass die Aussage schon anderswo publiziert
sei. Derartige Mutmaßungen haben in einer
Prüfung nichts zu suchen. Das sind Totschlagargumente, da der Kandidat de facto
keine Möglichkeit hat, den Gegenbeweis anzutreten. Dass die Bemerkungen von Doz1 darüber hinaus sogar in sich widersprüchlich sind - wenn das Ergebnis
bereits anderswo veröffentlicht wäre, dann wäre es doch offensichtlich auch
nach Ansicht anderer Leute interessant und publikationswürdig - scheint ihm
ohnehin entgangen zu sein. Welche Motivation mag einen Hochschullehrer zu dem Versuch veranlassen, eine Prüfungsleistung noch nach positiver Beurteilung durch Fachgutachter mit solchen bloßen Mutmaßungen abzuqualifizieren? Welches Destruktionspotential spricht aus solchen Äußerungen? Dass schwerwiegende Mängel vorliegen, will auch Doz2 dem Leser einreden, wenn er schreibt, dass „die Darstellung der mathematischen Grundlagen der Optimierung in einigen Abschnitten mangelhaft ist ...“ Man darf also gespannt sein, welche schwerwiegenden Fehler er ausgemacht hat. Zur Begründung, dass die mathematischen Grundlagen
der Optimierung mangelhaft seien, schreibt er: -
in Definition 5.3 wird erklärt, wann ein Vektor „gradientenorientiert“
ist. Die Definition ist aber so, dass sie gar nicht von der Orientierung des
Vektors abhängt. Es ist eine „falsche Definition“, wie man in der Literatur
nachschlägt. Aus der falschen Definition wird eine falsche Schlussfolgerung
gezogen. Seiner Ansicht nach handelt es sich also um eine
„falsche Definition“. Nun weiß jeder
Wissenschaftler, dass eine Definition nicht falsch sein kann. Eine Definition ist eine
Vereinbarung über eine Bezeichnungsweise, die nicht richtig oder falsch sein
kann, sondern eine sprachliche Abkürzung für einen komplizierten Sachverhalt
darstellt. Lediglich Aussagen können
richtig oder falsch sein. Dieses wird den Studenten nicht nur der Mathematik,
sondern auch der Ingenieur-/Naturwissenschaften etc. im mathematischen
Vorsemester und spätestens noch mal zu Beginn des 1. Semesters klargemacht und
von da an als bekannt vorausgesetzt. In ähnlicher Weise ist auch die Abkürzung
„BRD“ für Bundesrepublik Deutschland nicht richtig oder falsch, sondern eine
Vereinbarungssache bzw. eine Festlegung des Gesetzgebers. Schon in dieser
Hinsicht stellt der Anwurf eine schwerwiegende Verletzung der methodischen
Grundlagen des Faches dar. Natürlich kann es trotzdem gute Gründe geben, eine
Definition zu kritisieren: z. B. wenn sie im Widerspruch zu anderen
üblicherweise benutzten Definitionen steht und deshalb Verwirrung stiften
könnte oder wenn Dinge inhaltlich zusammengefasst werden, die in dieser
Zusammenfassung den Erkenntnisgewinn erschweren. Tatsächlich zeigen die in der
Dissertation hergeleiteten bzw. zitierten Resultate jedoch, dass die Definition
ausgesprochen nützlich ist und ein gutes Hilfsmittel, um die Konvergenz
bestimmter Optimierungsverfahren zu untersuchen. Schon der erste Satz zeigt, dass Doz2 die Definition
gar nicht verstanden hat: Gradientenorientiertheit ist nämlich keine
Eigenschaft eines Vektors, sondern
die Eigenschaft einer Folge von
Vektoren. Es geht darum, dass die Abstiegsrichtungen eines
Optimierungsverfahrens nicht nur jede für sich einen Winkel von weniger als 90o
mit der negativen Gradientenrichtung haben, sondern dass diese Eigenschaft auch
noch im Limes gilt, der Winkel also sogar gleichmäßig von 90o
wegbeschränkt ist. Die vom Promovenden hierzu angegebene und von Doz2
angegriffene Definition und eine direkte
Schlussfolgerung lauten wie folgt: Definition
5.3: Für
eine Funktion $ f$
sei $\left\{d^{\left(k\right)} \right\}$
eine Folge von
Abstiegsrichtungen. Die Folge
$\left\{d^{\left(k\right)} \right\}$ heißt gradientenorientiert, falls ein
$\tau >0$ existiert, so dass für alle
$k\in {\rm I} {\rm N} $
$$\left|{\nabla f\left(x^{\left(k\right)} \right)^{T} d^{\left(k\right)}} \right|{\rm \; \; }>{\rm \; \; }\tau {\rm \; }\cdot {\rm \; }\left\| \nabla f\left(x^{\left(k\right)} \right)\right\| {\rm \; }\cdot {\rm \; }\left\| d^{\left(k\right)} \right\|
$$
gilt. Die Gradientenorientiertheit der Folge
$\left\{d^{\left(k\right)} \right\}$ sichert somit, dass
der Winkel zwischen
$-\nabla f\left(x^{\left(k\right)} \right){\rm \; und\; }d^{\left(k\right)} $ gleichmäßig kleiner als der rechte Winkel ist.
Es ist also offensichtlich, dass
Gradientenorientiertheit eine Eigenschaft einer Folge von Abstiegsrichtungen
und nicht wie von Doz2 behauptet eine Eigenschaft eines einzelnen Vektors ist.
Mit der Bemerkung, dass die Definition nicht von der Orientierung des Vektors
abhänge, soll dem fachlich nicht kundigen Leser ein Mangel oder Fehler
suggeriert werden. Tatsächlich ist es Schulstoff, dass das Vorzeichen des
Vektors
$d^{\left(k\right)} $ den Wert des
Absolutbetrages
${\rm \; }\left|{\rm \; }\cdot {\rm \; }\right|$ nicht beeinflusst,
weil bekanntlich der Betrag einer reellen Zahl nicht vom Vorzeichen dieser Zahl
abhängt. Die Unterstellung, dass hier ein
Mangel vorliege, ist unsinnig, vielmehr liegt es in der
Absicht der Definition, so vorzugehen. Dass im Übrigen auch an dieser Stelle
noch einmal deutlich wird, dass Doz2 Gradientenorientiertheit für eine
Eigenschaft eines einzelnen Vektors hält, zeigt zum wiederholten Male, dass die
Definition auch ihrem Sinn nach nicht erfasst wurde. Weiterhin verweist Doz2 auf die Literatur,
bedauerlicherweise ohne diese konkret anzugeben. Wieder soll dem gutgläubigen
Leser der Eindruck vermittelt werden, es liege ein Mangel vor, ohne dass dieser
spezifiziert oder begründet würde. Falls mit dem auch sprachlich verunglückten
Halbsatz „... wie man in der Literatur nachschlägt.“ angedeutet werden soll,
dass die in der Dissertation gegebene Definition unpraktisch sei oder im
Widerspruch zu anderen Definitionen des gleichen Begriffes aus der Literatur
stehe, ist dieser Vorwurf ebenfalls
unberechtigt: Doz2 kennt offensichtlich auch die Definitionen des Begriffes
Gradientenorientiertheit bzw. Gradientenähnlichkeit aus der Literatur nicht.
Als Beispiel sei aus dem Buch von J. Werner 5
Numerische Mathematik 2, S. 170 - ein einführendes Lehrbuch über Numerische
Mathematik für Studenten des 4. Semesters - die dort gegebene entsprechende
Definition wiedergegeben: Eine Folge von Abstiegsrichtungen
$\left\{p_{k} \right\}$ wird gradientenähnlich
genannt, wenn die erste Voraussetzung in Satz 2.5 erfüllt ist, wenn es also
eine Konstante
$\sigma >0$ mit
$$ - \frac{g_{k}^{T} p_{k}^{} }{\left\| g_{k} \right\| _{2} \left\| p_{k} \right\| _{2} } \ge \sigma ,{\rm \; \; \; \; }k=0,1,...$$
gibt. Diese Voraussetzung besagt, dass der Winkel
zwischen
$-g_{k} {\rm \; und\; }p_{k} $
gleichmäßig kleiner
als der rechte Winkel sein muss. Hier bezeichnet
$p_{k} $ die Abstiegsrichtung
entsprechend
$d^{\left(k\right)} $ in der Dissertation
und
$g_{k} $ den Gradienten
entsprechend
$\nabla f\left(x^{\left(k\right)} \right)$ in der Dissertation.
Da
$p_{k} $ eine Abstiegsrichtung
ist, ist das Skalarprodukt von Gradient und Abstiegsrichtung negativ. Durch das
zusätzliche negative Vorzeichen wird der Ausdruck links des
Ungleichheitszeichens insgesamt also positiv und ist damit mit seinem Betrag
identisch. Die beiden Definitionen des
Promovenden und von Werner sind damit inhaltlich gleichbedeutend. Eine Folge, die im Sinne der Dissertation
gradientenorientiert ist, ist im Sinne von Werner gradientenähnlich und
umgekehrt. Aus den gleichen Gründen kann in der Definition 5.3 der Dissertation
auch
$$\left|\nabla f\left(x^{\left(k\right)} \right)\right. ^{T} d^{\left(k\right)} \left. \right|$$ durch den Ausdruck
$$-\nabla f\left(x^{\left(k\right)} \right)^{T} d^{\left(k\right)}$$
ersetzt werden, wie es in der veröffentlichten
Fassung geschehen ist. Dies gilt auch für weitere Bücher aus der einführenden
Lehrbuch-Literatur. Erwähnt sei das Buch von Kosmol6,
S. 105 („gradienten-orientiert“) und das Buch von Großmann/Terno7,
S. 68 („gradientenähnlich“). Alle diese Definitionen aus der Lehrbuch-Literatur für Studenten
mittlerer (!) Semester erweisen sich als
inhaltlich äquivalent, wenn man die jeweils etwas unterschiedlichen
Bezeichnungsweisen berücksichtigt. Die Definition aus der Dissertation ist also
nicht nur vollkommen in Ordnung, auch der erweckte Eindruck, dass sie unüblich
sei oder im Widerspruch zur gängigen Praxis stehe, ist falsch. Und der Schrecken hat immer noch kein Ende. So
behauptet Doz2 im weiteren Verlauf, aus der ‘falschen’ Definition werde eine
falsche Schlussfolgerung gezogen. Wieder wird nicht spezifiziert, wieder wird
nicht begründet! Die Schlussfolgerung der Promovenden, dass für eine
gradientenorientierte Abstiegsfolge der Winkel zwischen negativem Gradienten
und Abstiegsrichtung gleichmäßig kleiner als der rechte Winkel ist, ist so
trivial und unmittelbar aus der Definition abzulesen, dass es keiner weiteren
Begründung bedarf. Eigentlich werden nur der Inhalt und die Zielsetzung der
Definition in etwas anderen Worten noch einmal wiederholt. Genau die gleiche
Schlussfolgerung findet sich bei Werner im unmittelbaren Anschluss an die
Definition (siehe obiges Zitat) und auch in den meisten anderen zitierten
Büchern. Die Schlussfolgerung des
Promovenden ist also völlig in Ordnung und der Fehler liegt auf Seiten von
Doz2. Zur weiteren Begründung, dass die mathematischen
Grundlagen der Optimierung falsch dargestellt seien, wird auf Satz 6.8 auf
Seite 99 der Dissertation hingewiesen. Es wird der Eindruck erweckt, dass hier
ein schwerwiegender, von den Gutachtern nicht bemerkter Fehler vorliege.
Tatsächlich wird nur eine Bemerkung der Gutachter aufgegriffen. Es handelt sich auch nicht wie von Doz2 suggeriert
um einen schwerwiegenden Fehler. Vielmehr liegt ein Druckfehler vor. Statt
„$\mathop{\lim }\limits_{k\to \infty } \nabla f\left(x^{\left(k\right)} \right)$“
sollte es sowohl im Satz wie auch beim Beweis heißen
„$\mathop{\lim \inf }\limits_{k\to \infty } \left\| \nabla f\left(x^{\left(k\right)} \right)\right\| _{2} $“. Dass es sich hier lediglich um einen Druckfehler handelt,
geht schon daraus hervor, dass das vorangehende Resultat aus der Optimierung
(Satz 6.7, S. 99) ebenfalls eine Aussage über den „lim inf“ der Folge macht und
der Beweis des Satzes 6.8 sich an dieser Aussage orientiert. Auch macht der
Beweis bei Zugrundelegung der druckfehlerbehafteten Formel gar keinen Sinn, so
dass der Druckfehler für einen fachkundigen Leser leicht als solcher erkennbar
war und in der veröffentlichten Fassung natürlich korrigiert wurde. Nur zwei der Gutachter halten diesen Fehler
überhaupt für erwähnenswert und diese werten ihn übereinstimmend als
Druckfehler. Die
Einlassungen von Doz2 enthalten noch weitere Äußerungen, die von gleicher
„Qualität“ sind, jedoch für ihre
Darstellung und Wertung mehr
Fachkenntnis erfordern und deshalb an dieser Stelle nicht im Einzelnen
besprochen werden sollen. Wenden
wir uns wieder dem Einspruch von Doz1 zu.
Dort heißt es z. B.: Die zentrale Definition 2.6 des zu lösenden
Optimierungsproblems ist, milde ausgedrückt, nur schwer zu verstehen. Die
verwendeten Abbildungen werden nicht alle beschrieben. Es wird dort ferner
$\overline{\Omega }\left(i_{m} ,w\right)=o_{m} $ abgekürzt, aber auch offenbar
$\overline{\Omega }\left(i_{m} ,w\right)=o\underline{_{m}}\left(i\underline{_{m}} ,w\right)$ gesetzt! Wenn von Differenzierbarkeit der vorkommenden
Funktion gesprochen wird, scheint nur die auf S. 12 angegebene spezielle
Gestalt von om gemeint zu sein. Beginnen wir am Schluss. Vage Vermutungen bezüglich
der Differenzierbarkeit sind fehl am Platz, da Voraussetzungen für die
Differenzierbarkeit z. B. der Fehlerfunktion
$\Gamma _{m} $ in Satz 3.8 genau
angegeben („Sigmoid-Aktivierung“) und entsprechende Aussagen bewiesen werden.
Natürlich hängen diese unter anderem von der jeweils benutzten
Aktivierungsfunktion ab. Dies wird in der Arbeit an vielen Stellen deutlich, z.
B. bei der Herleitung der ersten und zweiten Ableitungen der Algorithmen ab S.
20 und ab S. 35 (Kapitel 3 und 4). Dass
$\overline{\Omega }\left(i_{m} ,w\right)=o\underline{_m}\left(i\underline{_{m}} ,w\right)=o_{m}$ gesetzt wird,
ist so falsch. Richtig ist, dass
$\overline{\Omega }\left(i_{m} ,w\right)=o_m\left(i_{m} ,w\right)=o_{m}$ gesetzt wird. Das braucht auch nicht vermutet
zu werden, sondern wird in Definition 2.6 und auf S. 12 als Fußnote 4 ausdrücklich erwähnt, also in unmittelbarem Zusammenhang mit Definition 2.6: Es werden
zur besseren Lesbarkeit lediglich die Argumente einer Funktion nicht ständig
ausgeschrieben. Dieses Verfahren ist üblich und völlig in Ordnung, wenn darauf
- wie in der Fußnote - ausdrücklich hingewiesen wird. Auch ansonsten ist die
Definition vollständig und die Gutachter hatten im Übrigen auch keine Probleme,
sie zu verstehen und mit ihr umzugehen. Es sei nur am Rande bemerkt, dass es
hier um die grundlegende Beschreibung des Problems geht, mit dem sich die
vorlegte Dissertation im Folgenden nahezu ausschließlich befasst. Ist dem Schreiber jetzt die
Bedeutung der Kompaktheit der Niveaumenge
$S_{f} \left(\overline{x}\right)$ klar?
Die Behauptung, die Kompaktheit der Niveaumenge
werde nirgendwo erwähnt, ist falsch.
S. 48: Es wird die
‘Realisierbarkeit’ der Armijoschrittweiten diskutiert. Vermutlich ist hier ihre
Existenz gemeint. Der Begriff „Realisierbarkeit eines Verfahrens“ ist
ein umgangssprachlicher Begriff, der häufig
in der Numerischen Mathematik, aber auch in der Optimierung und anderen
Gebieten verwendet wird. In dem bereits zitierten einführenden Lehrbuch von
Kosmol heißt auf S. 91 sogar eine
Kapitelüberschrift „4.3 Realisierbarkeit
der Schrittweitenregeln“. Darf ein Doktorand grundlegende
Bezeichnungen aus der einführenden
Lehrbuchliteratur nicht verwenden? S. 107: Zum Newton-Verfahren
wird bemerkt, dass „durch das Verfahren eine Folge
$\left\{x^{\left(k\right)} \right\}$ konstruiert wird, die für einen beliebigen Startpunkt ...
konvergiert.“ Auch hier wird
nicht konkretisiert, was denn fehlerhaft sein soll. In der von Doz1 dargestellten Form ist die
Aussage in der Tat falsch, weil das Newton-Verfahren in der vom Promovenden
diskutierten Form nur lokal konvergent ist. Dieser Fehler findet sich jedoch
gar nicht in der Arbeit selbst, wo es völlig
korrekt heißt: „..., die für einen
beliebigen Startpunkt aus dieser Umgebung superlinear
gegen diesen kritischen Punkt konvergiert (WERNER, 1992, S. 192).“ Der
angebliche Fehler findet sich also nicht in der Arbeit des Kandidaten, sondern
wird durch ein verkürztes und dadurch fehlerhaftes Zitat von Doz1 erst
künstlich erzeugt. In diesem Stil geht es weiter. Gutachter werden
falsch zitiert. Gleich serienweise werden Zitate aus der Arbeit gebracht und der Eindruck erweckt, dass diese
fehlerhaft seien, ohne dass überhaupt nur spezifiziert, geschweige denn
begründet würde, was dort angeblich nicht stimmen soll. Schließlich wird noch
auf fast einer ganzen Seite Kritik an einer früheren Version der Arbeit geübt.
Diese Kritik musste für das hier zur Diskussion stehende Promotionsverfahren
schon deshalb belanglos bleiben, weil lt. Promotionsordnung die vorgelegte
Arbeit zu bewerten ist und nicht andere
Fassungen, in welchem Zusammenhang auch immer diese entstanden sein mögen. Angesichts der heftigen Kritik wird man erwarten, dass diese
bei der mündlichen Verteidigung der Arbeit eingebracht wurde und eine große Rolle gespielt hat.
Überrascht es wirklich, dass keiner der hier besprochenen angeblich so
schwerwiegenden Mängel von den Widerspruchsführern in der öffentlichen
Disputation vorgebracht wurde? Gleichwohl lässt es tief blicken. Es bleibt noch anzumerken, dass sowohl Doz1 als auch
Doz2 in Kenntnis der Kritik an ihren Einsprüchen diese bis zum Abschluss des
Verfahrens - immerhin noch fast ein Jahr nach Vorlage ihrer Einsprüche - weder
teilweise noch ganz korrigiert oder zurückgezogen haben. Was immer ihre Motive
oder Absichten gewesen sein mögen, der bequemere Ausweg, dass es sich um ein
Versehen, eine punktuelle Unaufmerksamkeit gehandelt habe,
bleibt verschlossen. Wir haben uns in obiger Darstellung im Wesentlichen
auf die Beschreibung von Fehlern beschränkt, die nach der Methode des Faches
Mathematik selbst als solche erkennbar sind. Die Frage nach Motiven und Absichten
geht über diesen fachlichen Rahmen hinaus: „Im allgemeinen ist es schwer zu leugnen, dass man eine bestimmte Tat
begangen hat oder
dass diese Tat begangen worden
ist. Dagegen ist es unglaublich leicht, die Motivierungen
zu verfälschen, die uns zu einer
bestimmten Handlungsweise veranlasst haben, und die Leidenschaften in uns, die
diese Handlungsweise begleitet haben.“8 1 Peter Eschberg, Intendant des Schauspiels Frankfurt, auf eine entsprechende Frage, „Der Fragebogen“, Forschung und Lehre 7/99, S. 392 (1999) 2 Hans Mohr: Naturwissenschaft und Ideologie. Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 15/92, Seite 10 (1992). 3 Stephan Hall: Baltimore resigns at Rockefeller, Science 254, S. 1447 (1991); aber auch: Kevles, Daniel: The Baltimore Case. Norton, New York (1998) 4 Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes sah sich der Verfasser dieser Zeilen genötigt, Namen und andere persönliche Angaben im Folgenden nicht zu nennen bzw. durch Kürzel zu ersetzen. Als Wissenschaftler widerstrebt ihm dies, weil er es gewohnt ist, Argumente für Dritte eigenständig nachvollziehbar darzulegen. Selbstverständlich ist er bereit, alle Namen und Zitate vollständig zu belegen, wenn rechtliche Bedenken ausgeräumt sind und sich z.B. die Betroffenen damit einverstanden erklären. Funktionsbezeichnungen werden der Einfachheit halber in der männlichen Form benutzt. |